Der dritte Antikörper zur Migräneprophylaxe ist nun auch in der EU zugelassen. Das jüngste Familienmitglied der in der EU zugelassenen Antikörper im CGRP-System ist nach Erenumab (Aimovig®) und Galcanezumab (Emgality®) nun Fremanezumab (Ajovy®).
Immer wieder liest man von der fälschlich so bezeichneten "Impfung" gegen Migräne. Ein Pieks und schon ist es vorbei mit der Migräne? Zu schön um wahr zu sein! Ganz so einfach ist es leider nicht. Und ganz so wirksam leider auch nicht.
Vorab ein paar Fakten zu diesem neuen Ansatz, der vielen Migränikern Hoffnung macht. Sind diese berechtigt?
Doch worum geht es bei diesem neuen Ansatz konkret?
Bei dem neuen Behandlungskonzept mit dem Wirkstoff "Erenumab" geht es nicht um Schmerzlinderung der klassichen Art, sondern um einen präventiven Ansatz. Es geht nicht um ein klassiches Schmerzmittel, wenn der Schmerz schon da ist, sondern um Schmerzvermeidung. Man möchte die Migräne schon vor der Entstehung verhindern.
Es geht um eine neue Wirkstoffklasse und einen neuen Ansatz: Die sogenannten CGRP-Blocker! Was ist das?
Die Schmerzklinik Kiel schreibt dazu: "Die neue Klasse von Arzneimitteln beruht auf Forschungsanstrengungen von über 30 Jahren. In den
1980er Jahren wurde entdeckt, dass CGRP eine wichtige Rolle bei der Migräne spielt. CGRP ist ein Nervenbotenstoff, der bei der Signalübertragung im Nervensystem bedeutsam ist und auch bei der
Gefäßsteuerung, insbesondere der Gefäßerweiterung, eine wichtige Rolle einnimmt.
CGRP-Antikörper blockieren die Wirkung und können damit den Mechanismen der Entstehung der Migräneattacke vorbeugen. Die teilweise Blockierung von CGRP kann Migräneattacken verhindern, ohne die
normalen Abläufe im Nervensystem zu stören. Die direkte Entwicklung von Arzneimitteln mit dem Ziel CGRP zu blocken zeigte sich zunächst nicht erfolgreich, da sie nicht eine ausreichende
Verträglichkeit im Langzeitverlauf zeigte. In der Folge wurden daher Antikörper entwickelt, welche gegen die Zelloberfläche des CGRP-Moleküls wirken und die Funktion von CGRP hemmen. Die
Halbwertszeit der Antikörper beträgt mehr als 4 Wochen."
CGRP-Blocker binden selektiv an einem speziellen Rezeptor, und zwar den des "Calcitonin-Gene-Related-Peptide" (CGRP), und blockieren
dieses. CGRP hat man im Verdacht, als entzündungsförderndes, sogenanntes "proinflammatorisches" Neuropetid stark gefäßerweiternd und zentral an der Schmerzauslösung sowie an der neurogenen Entzündung
beteiligt zu sein.
Die Medikamente dieser neuen Wirkstoffklasse arbeiten leicht
unterschiedlich. Ihnen gemeinsam ist die Fähigkeit des Entzünungsmediators und der starken Gefäßwirksamkeit. Leicht unterschiedlich ist der Wirkungsansatz der einzelnen
Produkte: So bindet Erenumab (Aimovig®) nicht an CGRP, sondern an den CGRP-Rezeptor. Es wird deshalb als CGRPR-Inhibitor
bezeichnet. Fremanezumab (Ajovy®) hingegen bindet direkt an CGRP und neutralisiert es, genauso wie Galcanezumab (Emgality®). Auch das bindet direkt an CGRP und neutralisiert es.
Kurz gesagt heisst das: Die CGRP-Blocker sollen Entzündung und Gefäßreaktion, und damit das Schmerzgeschehen blockieren. Und zwar für jweils 4 Wochen. Soweit die
Theorie.
Die Hoffnungen auf einen großen Durchbruch in der Migräne-Therapie sind jedoch vielleicht verfrüht. Die bisherigen Einschätzungen - entgegen aller
Marketing-Versprechen - klingen eher ernüchternd:
"Die bisher verfügbaren Daten zeigen, dass man nicht davon ausgehen darf, dass mit der neuen Immuntherapie die Migräne aufhört und man leben kann wie man will. Im Mittel erfolgt eine Reduktion der
Kopfschmerztage um ca. 1-3 Tage pro Monat. Die Wirksamkeit ist damit im Mittel ähnlich wie bei den bisherigen vorbeugenden Medikamenten. Besondere Vorteile sind der schnelle Wirkungseintritt, die
Verträglichkeit und das Ansprechen von Patienten, die durch andere Behandlung keinen Effekt erzielen konnten.“ kommentiert Prof. Dr. Hartmut Göbel, Chefarzt der Schmerzklinik Kiel, die neue
Zulassung."
Mitte 2018 ging es dann auch außerhalb der Forschungslabore richtig los! Das Schweizerische Heilmittelinstitut Swissmedic hat den ersten CGRP-Blocker mit dem Wirkstoff ERENUMAB als Medikament "Aimovig" zur Migräneprävention Mitte Juli 2018 zugelassen.
Zum 1. April 2019 wurde Emgality von Eli Lilly auf dem deutschen Markt eingeführt. Das Präparat mit dem Wirkstoff Galcanezumab ist damit - neben Aimovig von Novartis - der zweite Antikörper zur Prophylaxe von Migräne auf dem deutschen Markt. Seit April 2019 ist nun auch der dritte Antikörper zur Migräneprophylaxe zugelassen. Das jüngste Familienmitglied im CGRP-Therapiekonzept ist nach Erenumab (Aimovig®) und Galcanezumab (Emgality®) nun Fremanezumab (Ajovy®).
Seit April 2019 sind also in Deutschland drei nur marginal unterschiedliche Mittel der selben Wirkstoffklasse zugelassen und werden sukzessive verschrieben, wenn auch für "ausgewählte Patienten" - was zunächst bedeutet, dass vor allem privatversicherte Migränepatienten diese Medikation erhalten.
Bisher liegen noch keine representativen Wirksamkeits-Ergebnisse von Patienten in "freier Wildbahn" vor, sondern lediglich Studienergebnisse:
Zitat aus der Studie: "(...)"Aimovig senkt bei etwa 50 Prozent der Patienten die Häufigkeit der Migräne-Attacken um 50 Prozent und kann zudem die Schwere der Attacken reduzieren“ (…) Mit einer 70-Milligramm-Dosierung traf dies für etwas mehr als 43 Prozent der Patienten zu, in der Placebo-Gruppe waren es 26,6 Prozent. Bei einigen wenigen Patienten verschwinden die Attacken sogar ganz. Anderen wiederum kann der Antikörper überhaupt nicht helfen." (...)
Die Erfolgs-Definition des neuen Ansatzes, der neuen Wirkstoffklasse bzw. des Medikamentes basieren auf kaum objektivierbaren Zahlen, Daten, Fakten.
Die Hauptproblematik besteht darin, zunächst festzustellen, wie viele Migräne-Tage ein Migräne-Betroffener im Durschnitt pro Monat hat. Ich kenne keinen einzigen Betroffenen, bei dem es hier eine
feste und regelmäßge Anzahl von Tagen gibt! "Jeden Monat immer durchgehend und fix 20 Tage" entspricht nicht der Realität. Deshalb ist die konkret durch das Medikament hervorgerufene Reduktion
der Schmerztage nur schwerlich repräsentativ und monokausal festzustellen.
Letzteres ist besonders schwierig und würde einen komplexen Versuchsaufbau über einen langen Zeitraum erfordern, denn eine solche Anwendungsbeobachtung müsste "Ceteris Paribus" erfolgen, also ohne jegliche Veränderungen der Variablen wie z.B. der Ernährung, der Lebensweise, der Uhrzeit abends ins Bett zu gehen, der Schlafqualität, der Hormone, des beruflichen Umfeldes, des Stresslevels...und...und...und.
Nur wenn all das komplett stabil und konsistent bleibt, kann man ansatzweise einen Rückschluss auf den Erfolg des Medikamentes ziehen und den reinen Zufall ausschließen, aufgrund dessen der Patient vielleicht in diesem Monat gerade weniger Anfallstage aufweist. Schwieriges Unterfangen...!
Insofern ist auch die ernüchternde Aussage der Schmerzklinik Kiel lediglich als "näherungsweise" anzusehen: "(...) Bei den anderen Patienten wird eine Reduktion der Migränetage pro Monat um ca. 1-3 Tage erreicht.(...)" Link
So innovativ der CGRP-Ansatz ist, so relativierend äußern sich Fachkreise ob des therapeutischen Erfolgs von Erenumab, Fremanezumab und Galcanezumab.
Prof. Dr. Gerd Bendas (Pharmazeutische Chemie an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn) gab bei der vor kurzem in Stuttgart stattgefundenen Interpharm eine Einschätzung über den Wert der CGRP- und CGRP-Rezeptor-Antikörper.
Bendas: „CGRP ist ein ideales Target bei Migräne", dennoch merke man bei der therapeutischen Effizienz „eine gewisse Zurückhaltung in Fachkreisen – man hatte sich einen durchschlagenderen Erfolg gewünscht“, so Bendas. Sie seien effizient, aber hinsichtlich der bisherigen Möglichkeiten „kein Quantensprung“. Link
Das klingt leider ebenfalls sehr ernüchternd...!
Diverse Stimmen aus Forschung und Wissenschaft weisen jedoch schon vorsorglich darauf hin, dass die üblichen Empfehlungen für Migräniker dennoch ihre Gültigkeit behalten.
" (...) Ein komplexes Behandlungskonzept, das sowohl Verhalten, Wissen, Lebensanpassung, Akuttherapie und medikamentöse Therapie umfasst, ist daher erforderlich(...)".
Durch die die Spritze bzw. "Impfung" wird die Migräne weder verschwinden - denn Migräne ist und bleibt eine spezielle Disposition und Grundveranlagung - noch wird der Körper Migräne-fördernde Ernährung klaglos hinnehmen.
Die Kombination aus vorbeugenden Massnahmen, darunter möglicherweise auch die neue Therapie mit den CGRP-Blockern als Monatsspritze oder Quartals-Injektion - sowie aus
migräne-vermeidender Ernährung und migräne-vermeidendem Verhalten wird in Summe erfolgreich sein!
Die Hauptursache vieler Migräne-Anfälle ist nach wie vor ein stark
schwankender Blutzucker und die darauf folgende Ausschüttung großer Mengen Adrenalin. Diese Problematik wird mit oder ohne monatliche Spritze bleiben! Mehr dazu im Detail hier
"Wer die Blutzucker-Achterbahn zum Stillstand bringt, hat in vielen Fällen schon gewonnen und ist weitgehend schmerzfrei!"
Mehr zu diesem Ernährungskonzept finden Sie Buch "Die Grissini-Falle - Endlich ohne Migräne" und auf dieser Webpage, beispielsweise zum Thema "Regelmäßig essen - bloß nicht!"