(...) Es ist Anfang 2000, ein normaler Schultag, mein mittlerer Sohn kommt wie so oft nach der Mittagsbetreuung der Grundschule zappelig, leicht aggressiv und mit Kopfschmerzen nach Hause.
In der Mittagsbetreuung für die Kinder berufstätiger Eltern gibt es nur einen einfachen Snack: Müsli und Obst müssen reichen, bis die Kinder um 14.30h nach Hause gehen. Dass das eine entscheidende Rolle spielt, weiß ich zum damaligen Zeitpunkt noch nicht...
An Hausaufgaben machen, Lernen etc. ist danach nicht mehr zu denken. Mit seinem Bewegungsdrang kann mein Sohn nicht stillsitzen, Inhalte nimmt er mit Kopfschmerzen und körperlichen Uruhe sowieso nicht auf und ich weiß genau: Sein Kopfschmerz wird schlimmer werden und kurz darauf fängt er wieder an sich zu übergeben - wie schon so viele Male vorher!
Aspirin & Co. beseitigen glücklicherweise jedes MAl zuverlässig den Schmerz, aber das kann auch keine dauerhafte Lösung sein.
Nach einer Odyssee durch sämtliche Münchner Kinderneurologen-,Augenarzt- und Kinderarztpraxen, nach Besuchen beim Kinderorthopäden und beim Ostheopathen, beim
kinesiologisch arbeitenden Mediziner, beim Allergologen und beim Kinderpsychologen sind wir schließlich auch noch bei einem Kinderpsychiater gelandet.
Dieser hat dann an umfangreichen Tests gut verdient, um dann schlußendlich die lapidaren Allzweck-Diagnosen "Schulstress" und "ADHS" zu stellen und uns mit einem Ritalin-Rezept abzufertigen.
Da mein Sohn schlecht in der Schule war, nicht aufpassen konnte, nachmittags unruhig, latent aggressiv und vollkommen durch den Wind, erschien die Diagnose nicht
komplett abwegig, aber ich war davon überzeugt, dass es insbesondere für die häufigen Kopfschmerzen eine andere Erklärung und Ursache geben musste. Zudem unterlag sein Verhalten starken Schwankungen:
Es gab Tage, an denen war er ein Lämmchen, und an anderen eben ein Teufelchen.
Nachdem ich selber eine 25-jährige Migräne-Karriere vorzuweisen hatte, wollte ich mich auch nicht damit abfinden, dass dauernde Kopfschmerzen wie ein Kinderarzt sagte "halt einfach vererbt
sind"!
Aber es kam noch schlimmer: Nach einem heftigen Brechdurchfall über mehrere Tage und dem Einsatz von Glucose-Elektrolyt-Lösung fiel er in tiefe Bewußtlosigkeit und landete mit Notarzt im Krankenhaus.
Nach einer Woche grauenvoller Verdachtsmomente und Behandlungsmaßnahmen (Tumor im Kopf, Herpes im Gehirn, Lumbalpunktion etc.), die sich alle NICHT bestätigten, wurde er - seit Tagen schon quietschfidel! - entlassen.
Mein anfänglicher Verdacht eines durch den Brechdurchfall und die Elektrolyt-Lösung ausgelösten Unterzuckers mit darauf folgender Bewußtlosigkeit war leider - entgegen der Rettungsdienst-Vorschriften zur Blutzuckerkontrolle - nicht überprüft worden, stattdessen wurde er sofort an den Glukose-Tropf gehängt. Alle weiteren Nachfragen wurden als "hysterisch" abgetan.
Die gute und die schlechte Nachricht: Es gab keinen Befund! Der kleine Kerl war gesund, weder Hirn noch andere Organe wiesen irgendwelche Schäden, Herpes, Tumore o.ä. auf, die die dauernden Kopfschmerzen oder die sonstigen Symptome erklären konnten.
Aber nun war Mutters Ehrgeiz geweckt:
Ich kaufte ein Blutzucker-Messgerät und führte einen sogenannten "Glucose-Toleranztest" in der Heim-Version an ihm durch: Er durfte zum Frühstück Toast mit Marmlade
essen, dazu Nesquick mit ordentlich Zucker trinken, Mittags gab es Spaghetti mit Ketchup-ähnlicher Tomatensauce, gut abgerundet mit einem ordentlichen Schuss Zucker in der Sauce, zusätzlich Cola,
Limo & Co., nachmittags gab es Süßigkeiten, Gummibärchen & Co. und abends wieder ordentlich Nachschub an der Kohlenhydrat-Front. Fand er zunächst auch ganz toll, weil es das bei uns sonst
nicht gibt!
Zum Entsetzen meines Sohnes bedeutete das aber, ihn mehr als 20 Mal an diesem Diagnose-Tag anzustechen und den Verlauf des Blutzuckers auf einer Zeitachse zu notieren. Nix anderes machen sie beim
sogenannten GTT (Glucose-Toleranz-Test) im Krankenhaus!
Was kam heraus?
1. Der Blutzucker schwankt extrem
2. Insulin wird bei vielen Kindern (noch) in sehr hoher Menge ausgeschüttet, so dass der Blutzucker turboschnell wieder sinkt
3. Wenn der Blutzucker sinkt, dann sinkt er meist wirklich ganz tief.
4. Hier wird nun Adrenalin auf den Plan gerufen, was zappelig, unruhig, nörgelig, streitsüchtig und latent aggressiv macht. Bei manchen Kindern sind das sehr große
Mengen, also nicht unbedingt immer eine Punktlandung des Körpers! (Bei Kindern, die sehr schnell, sehr viel Adrenalin ausschütten ist der niedrige Blutzucker deshalb nicht so einfach messbar,
die Beobachtung des Verhaltens bringt hier meist klarere Aussagen!)
5. Ein bis zwei Stunden später beginnt meist der Kopfschmerz.
6. Klassische Kopfschmerz-Startzeiten sind das Vormittags-Hungerloch um ca. 10h/11h und das Nachmittags-Hungerloch 16h/17h.
7. Wenn tagsüber mal alles ohne Kopfschmerz abgegangen sein sollte (weil z.B. rechtzeitig Pausenbrot gegessen!), kam der "Kopfschmerz-Hammer" spätestes nachts um 4h/5h,
so dass mein Sohn oft in der Früh mit brüllenden Kopfschmerzen aufwachte.
8. Typischer Auslöser zusätzlich zu allem Gesagten war Sport, besonders wenn auf leeren Magen.
9. Besondere Beobachtung: Die Migräne meines Sohnes - inclusive sein "Pseudo-ADHS" konnten wir gezielt auslösen!
10. Genauso aber ließ sich Migräne & Co. durch eine gezielte Ernährung bzw. eine Ernährungsumstellung vermeiden!
Letzteres konnte man bei nahezu allen "Kumpels" meiner Söhne beobachten, sobald sie mit anderem "Futter" versorgt wurden. Nachdem wir ständig Übernachtungs- und Feriengäste hatten, konnte ich den gezielten Einsatz anderer Lebensmittel und anschließende Beobachtung ohne Mühe längerfristig bewerkstelligen und daraus empirische Schlüsse ziehen bei eigentlich chronisch zappeligen Kindern!
Nur damit es zu keinem Mißverständnis kommt: Ja, es gibt echtes ADHS, aber das zeigt sich meist sehr speziell, die meisten "normalen" Kids leiden unter
Unterzucker und dem im Übermaß ausgeschütteten Adrenalin! Zappelig über die Oberschenkel irrende Hände werden auf einmal auf wundersame Weise ruhig, wenn besonders die schnell wachsenden,
pubertierenden Kerle mit großen Mengen Grillfleisch mit lecker cremig-fetten Crème Fraîche-Grill-Saucen und Homemade-Pommes gefüttert werden!
Aber zugegebenermaßen ist das bei Jungs einfacher als bei Mädchen. Bei Letzteren kommt erschwerend hinzu, dass diese ja vielfach permanent auf Diät sind (GNTM lässt grüßen) und jede Art von Fett
meiden: Fettrand am Schinken wird abgepopelt, Marmelade ohne Butter aufs Toast etc. Das ist aber gerade das Falsche für Migräniker!
Es gibt ca. 10 einfache, aber extrem wichtige Spielregeln, die Migräniker ernährungstechnisch beherzigen sollten. Diese sind bei Kindern gut anwendbar, denn es handelt
sich explizit nicht um eine Diät!
Auch brauchen Kinder meist kein radikales Diät-Vorgehen, denn sie erlangen die Fähigkeit, den zweiten Antrieb des Körpers zu aktivieren, wesentlich schneller als Erwachsene wieder.
Die folgenden simplen Regeln haben meinem Sohn, aber auch Kindern von Lesern extrem geholfen. Übrigens: Manch ein verzweifeltes, übergewichtiges Kind nahm dadurch "nebenbei" auf sein normales Gewicht ab, vermeintliche ADHS-Kinder fühlten sich innerhalb weniger Stunden plötzlich ruhig und wohl, konnten lernen, aufpassen und das "Pseudo-ADHS" verschwand, vor allem aber sind sie alle schmerzfrei!
(Wenn auch nur bis zur nächsten heimlichen Gummibärchen-Tüte auf leeren Magen. Aber auch das lernen sie relativ schnell, wenn auch auf die schmerzhafte Tour...!)
Diäten sind nichts für Kinder, deshalb handelt es sich hier auch nicht um eine Diät oder harten Verzicht, schon gar nicht um echten Hunger.
Strategisch klug zu Essen macht hingegen einen Riesen-Unterschied. Hier also ein paar kampferprobte, erfolgsgekrönte Empfehlungen zum Ausprobieren:
Die Natur hat den Mensch mit zwei alternativen Antrieben ausgestattet, beide sind in der Lage, das empfindliche Gehirn zu versorgen.
Babys können noch mühelos zwischen beiden hin- und herschalten, viele Erwachsene nicht mehr. Irgendwo auf dem Weg zum Erwachsenenalter geht die Fähigkeit verloren, sich bei mangelndem Nachschub
autark zu versorgen. Manchmal schon im Kindesalter, denn schon früh gewöhnt sich der Kinderkörper an permanenten Nachschub durch Kohlenhydrate.
Das passiert selbst bei gesunder Ernährung! Müsli zum Frühstück, Obst zwischendurch, selbstgemachte Bolognese mit leckeren Nudeln zum Mittagessen, nachmittags Yoghurt mit Obst und Abends gesundes
Vollkornbrot. Damit schubst man den kindlichen Körper relativ schnell in die totale Kohlenhydrat-Abhängigkeit!
"Regelmäßig Essen", die Empfehlung vieler Ärzte als Vorbeugung gegen Migräne und Kopfschmerzen macht es sogar noch schlimmer!
Bei "Entzug" der Kohlenyhdrate - selbst "nur" bei einer längeren Essenspause z.B. nachts - beginnt der Kopfschmerz! Hier kann man simpel und effektiv
gegensteuen. (siehe oben!).
Neben der kohlenhydrat-bewußten Ernährung hier nun also die allerwichtige Maßnahme: Sorge dafür, dass die Kohlenhydrate immer wieder mal für einen Tag komplett verschwinden! Omelette und Rührei zum
Frühstück, Mittagessen mit Chicken-Wings bei McDonalds und abends Schnitzel natur mit Salat und/oder Gemüse zwingt den Körper immer wieder mal in den "anderen Antrieb", damit er diesen nicht
"vergisst"!
Immer mehr Kinder leiden schon in jungen Jahren unter Übergewicht, Diabetes und sind insulinpflichtig. Beim Diabetes vom Typ 2, oft schon früh erkennbar am Übergewicht vieler Kinder, ist das eindeutig auf die stark kohlenhydrathaltige Ernährung zurück zu führen.
Diabetes und Übergewicht liesse sich also bei den meisten dieser Kinder durch eine Ernährungsumstellung einfach vermeiden, doch deren Eltern essen oft ebenfalls gern Süßigkeiten, trinken Cola/Fanta und lieben Eiscreme, Spaghetti und knuspriges Baguette. Und auch Müsliriegel und Honig aus dem Reformhaus haben den selben Effekt.
Viele von Kopfschmerzen betroffene Kinder essen also schlicht und ergreifen die falschen Dinge zur falschen Zeit. Andere weisen zudem eine ungünstige genetische Komponente auf:
Offenbar neigen bestimmte Kinder zu Sensibilität des Blutzuckers und einer hyperaktiven Bauchspeicheldrüse, insbesondere wenn ihre Eltern die gleiche Symptomatik, also beispielsweise Kopfschmerzen, Diabetes o.ä. aufweisen!
Mit dem lapidaren "Kopfschmerz ist halt vererbt" der Kinderneurologen muss man sich jedoch nicht abfinden, denn simple Gegenmaßnahmen stabilisieren den Blutzucker, vermeiden Schwankungen schon im Vorfeld und machen weitestgehend schmerzfrei!
Warum weitestgehend? Aus Erfahrung kann ich sagen, es wird immer wieder - beispielsweise nach Kindergeburtstagen mit unendlich viel Süsskram, Gummibärchen und Gebursttagskuchen - zu Kopfschmerzen in der Nacht kommen, sobald der Unterzucker beginnt. Gibt es einen besseren Beweis? Aber ab und zu nach einem besonderen Event eine Kopfschmerztablette ist dennoch besser, als dem Junior beim Geburtstag seines besten Freundes ein Leberwurstbrot mitzugeben...!
Mein Sohn ist heute absolut Kopfschmerz-frei und hat ein Einser-Abitur hingelegt, die ehemaligen Schulprobleme gehörten also der Vergangenheit an, sobald wir seine Ernährung umgestellt hatten.
Einzig: Es empfiehlt sich nach wie vor, keine familiären Streitgespräche auf leeren Magen zu führen, wenn zuviel Adrenalin das pubertierende Hirn vernebelt!