Der Münchner Ernährungsmediziner Prof. Dietmar Daichendt sagt in einem Interview zum Thema Genetik: "Etwa 40% der Menschen neigen dazu, Kohlenhydrate schnell in Fett umzuwandeln." 40% der Menschen scheinen also eine spezielle Disposition zu haben. Was hat das mit Migräne zu tun? Sehr viel! Denn es geht um die sogenannte "Insulin-Antwort".
Diese ist genetisch individuell bei jedem Menschen und zunächst einmal eine sinnvolle, viele Hundertausend Jahre alte Einrichtung der Natur, führt aber heute zu diversen Folgeerscheinungen, wie beispielsweise zu Übergewicht und Migräne. Warum?
Der urzeitliche Mensch ist Millionen JAhre alt, der neuzeitliche "Homo Sapiens" nachweislich mindestens 315.000 Jahre. Damals war der Kohlenhydrat-Anteil der Nahrung sehr gering. Zucker war noch nicht "erfunden", auch Getreide und Ackerbau mit den dauraus hergestellten Produkten wie z.B. Nudeln und Brot gab es noch nicht.
Die Insulin-Antwort auf das Fleisch eines Mammuts und ein paar Gräser als Beilage war verschwindend gering. Nahrung war alles andere als regelmäßig verfügbar, im Gegenteil: Über lange Stecken wurde gehungert. Kohlenhydrate gab es gelegentlich am Ende des Sommers in Form von ein paar Beeren. Deren Fructose war daher so konzipiert, dass die Leber diese Energie sofort speichern konnte, als intelligente Reserve für den Winter.
Heute sollen wir 5x am Tag Obst essen, trinken Smoothies und Säfte, weil sie angeblich "so gesund sind", obwohl sie in erster Linie aus Zucker (Fructose!) bestehen. Und auch die anderen Mahlzeiten und Snacks des Tages mit Pasta, Baguette, Reis & Co. sind eine Erfindung der Neuzeit, und haben mit dem eigentlichen "Erfolgsmodell Mensch" und seinen Funktion nicht mehr viel gemeinsam. Denn: Wir fluten unseren Körper mit Kohlenydraten! Und die arme Bauchspeicheldrüse muss antworten!
Nach einem ordentlichen Frühstück mit Milchkaffee und Zucker, Baguette mit Erdbeermarmelade und Honigbrötchen, einem Glas Orangensaft und einer Schüssel gezuckerter
Cornflakes, schwimmen üblicherweise Unmengen Kohlenhydrate in Form von Glucose im Blut herum.
Eilig schüttet der Körper ganz viel Insulin aus, denn die Glucose schädigt den Körper massiv: Gefäßschäden mit amputierten Gliedmaßen bis hin zur Blindheit, wie man bei nicht oder schlecht
eingestellten Diabetikern nach einigen Jahren sehen kann.
Die Insulin-Antwort:
Nicht immer eine Punktlandung
Das Insulin wird jedoch besonders bei Diabetikern, aber auch bei Migränikern und fälschlich ADHS-verdächtigen Kindern, oder bei im Wachstum befindlichen Pubertierenden
nicht immer in der exakt benötigten Menge ausgeschüttet.
Bei Diabetikern ist die Bauchspeicheldrüse erschöpft und schüttet zu wenig aus, so dass weiterhin viel Glucose im Blut schwimmt, mit den genannten schädigenden Effekten, so dass Zuckerkranke
medikamentös nachhelfen müssen und Insulin in Tablettenform oder per Spritze zuführen müssen.
Bei Migränikern und Pseudo-ADHS passiert genau das Gegenteil: Zu viel Insulin! Hier ist die Bauchspeicheldrüse hyperaktiv und meint es zu gut. Sie schießt weit über
das Ziel hinaus und schüttet viel zu viel Insulin aus, welches in kürzester Zeit die gesamte im Blut schwimmende Glucose in die Zellen verfrachtet.
Der Blutzucker sinkt nun innerhalb von 15-20 Minuten wunderbar zurück auf ein gesundes Maß, was jeden Arzt zufrieden stimmt. Doch tückischerweise stoppt es hier nicht, das beobachtet dann meist aber
keiner mehr, denn der Wert hat sich ja schnell normalisiert!
Das Zuviel an Insulin führt aber dazu, dass noch mehr Glucose in die Zellen abtransportiert wird und das Blut nach weiteren 10 Minuten komplett leergefegt ist. Messbar ist das per Blutzuckeranalyse,
bei der man sich bei der Beobachtung eben nicht mit dem Normalwert zufrieden geben sollte, denn ein bis zwei weitere Piekse nach 10 und nach 20 Minuten zeigt, dass es ganz brutal weiter bergab
geht!
Die Körperzellen sind nun also voll mit Glucose, bauen diese aus Verzweiflung in Fett um, damit sie als stille Reserve für Notzeiten irgendwann mal zur Verfügung stehen. Das Blut aber ist komplett leer, weit unter Normalwert. Sprich: Im massiven Unterzucker!
Das Gehirn kann aber - anders als Muskelzellen - keine Glucose und kein Fett speichern, und befindet sich jetzt im Leerlauf und wenig später in höchster Not. Empfindliche Menschen, die sich selbst gut beobachten kennen das Gefühl, dass es nun leicht nebelig wird im Kopf, das Denken wird unklar, es rauscht möglicherweise auf den Ohren und im schlimmsten Falle kippt man um.
Bevor das passiert schlägt der Körper jedoch Alarm, und versucht Glucose aus einer anderen Quelle zu aktivieren, nämlich indem u.a. Adrenalin, Kortisol etc. ausgeschüttet werden. Die Leber kann sich dadurch die nun dringend benötigte Glucose auch selber zusammenbasteln über die sogenannte Gluconeogenese.
Aber auch hier gibt es nicht immer eine Punktlandung sondern wieder schießt der Körper über das Ziel hinaus und aktiviert zuviel Adrenalin und dieses Stress-Hormon schubst wiederum leider nicht nur die Leber an. Adrenalin hat nämlich ein paar Nebeneffekte, die - seinerzeit durchaus sinnvoll - in Fluchtsituationen z.B. vor dem Säbelzahntiger das Überleben sicherten:
Adrenalin bereitet den Flucht-oder Kampfreflex vor und verengt dabei die Gefäße, steigert den Herzschlag etc, führt aber auch zu kalten Schweißausbrühen, Unruhe, Herzklopfen, manchmal sogar den einer Panik-Attacke nicht unähnlichen Symptomen. Vor allem aber ist es höchst gefäß-wirksam und bald darauf beginnt beim Migräniker das Gewitter im Kopf!
Das Blut ist leer, die Zellen voll mit Glucose. Betätigt man sich nun nicht zeitnah körperlich durch Sport, anstrengenden Hausputz, oder harte Arbeit im Steinbruch, hat der Körper nur eine Möglichkeit diese Energie zu speichern, nämlich in Form von Fett.
Kohlenhydrate machen also fett, und gemeinerweise verhindert der permanente Nahrungs-Nachschub, den man uns Migräniker empfiehlt und der damit verbundene hohe Insulinspiegel auch noch, dass der Körper auf dieses Fett zurück greift als Reserve. Zudem verhindern die Stresshormone Kortisol und Adrenalin die Fettverbrennung. Ein fatale Kombination:Dick und/ oder Kopfschmerzen. Wie hängt das zuammen? Genetisch?
Übergewichtige, die trotz eingeschränkter Ernährung zunehmen, aber bei Diät kein Gramm abnehmen, leiden also ursächlich an einem ähnlichen Geschehen wie
Migräniker, wenn auch möglicherweise ohne Kopfschmerzen.
Was haben viele übergewichtige Menschen, die sich vernünftig ernähren und Migräniker gemeinsam? Eine erhöhte Insulinantwort und einen fehlgesteuerten Hungerstoffwechsel!
Beides ist möglicherweise genetisch bedingt: Der Münchner Ernährungsmediziner Prof. Dietmar Daichendt sagt in einem Interview zum Thema Genetik:
"Etwa 40% der Menschen neigen dazu, Kohlenhydrate schnell in Fett umzuwandeln. Sie sollten sich kohlenhydratarm ernähren. "
Ist ein Großteil der Migräniker also von einer Gen-Kombination betroffen, die eine spezielle Disposition im Körper schafft? Die einzig sinnvolle Konsequenz daraus ist in jedem Falle die Selbe, sowohl für Übergewichtige, als auch für Migräniker, und egal ob genetisch bedingt oder erworben:
Der Körper muss wieder lernen, im Hungerstoffwechsel auf seine Fettreserven zurück zu greifen und sich und sein Gehirn damit autark zu versorgen!
Viele Studien bestätigen zunehmend den
Zusammenhang aus einer überschießenden Insulin-Antwort und Migräne. Ganz aktuell wurde beispielsweise im Januar 2019 in der "Ärztezeitung" ein kleiner Artikel veröffentlich, der es für uns Migräniker
in sich hat und das Konzept des Buches "Die Grissini-Falle" bestätigt:
"(...) Frauen mit Migräne sollen zudem laut früheren Erkenntnissen höhere Insulinspiegel aufweisen. Eine verstärkte Insulinsekretion nach kohlenhydratreichen Mahlzeiten mit reaktiver
Hypoglykämie gilt sogar als möglicher Migränetrigger.(...)"
Auf der These der überschießenden Insulin-Antwort auf Kohlenhydrate basiert das Buch "Die Grissini-Falle", genauso wie die bei Migräne immer noch umstrittene Low-/No-Carb-Ernährung. Unzählige Leser und User in Low-Carb-/Keto-Migräne-Foren bestätigen: Bei ausbleibender Blutzucker-Achterbahn aufgrund eines gleichbleibend niedrigen Insulin-Spiegels geht's uns Migränikern nachweisbar besser. Warum? Wenig Carbs, keine Blutzucker-Achterbahn, wenig Adrenalin, null Migräne!
Und natürlich haben Migräniker, die sich entsprechend Kohlenhydrat-arm ernähren, in der Folge auch ein geringeres Diabetes-Risiko. Wir tun uns damit also einen doppelten Gefallen!
Breaking News zum
Thema 'Vererbliche Migräne'!
Neurowissenschaftler der Universität Zürich haben den Mechanismus entschlüsselt, der für
familiär
bedingte Migräne verantwortlich ist:
Durch eine genetische Fehlfunktion können bestimmte Hirnzellen, die für Schmerzverarbeitung zuständig sind, überschüssige Reize nicht abbauen. Stattdessen rufen sie starke Kopfschmerzen hervor.